A l l i i e r t e   K o m m a n d a n t u r   B e r l i n

Erklärung über die Grundsätze der Beziehungen der Stadt Groß-Berlin zu der Alliierten Kommandantur

Vom 14. Mai 1949 (VOBl. I S. 151)

An den:

Stadtverordnetenvorsteher,

Oberbürgermeister,

Präsidenten des Kammergerichts.

1. Die drei Militärgouverneure haben dem Parlamentarischen Rat in Bonn den Text eines Besatzungsstatuts übersandt, welcher der deutschen Bundesrepublik, die in Kürze gegründet wird, umfangreiche gesetzgebende, vollziehende und gerichtliche Vollmachten erteilt. Die Militärgouverneure haben sich nur diejenigen Rechte vorbehalten, welche die grundlegenden Ziele der Besetzung sichern.

2. Obwohl die Militärgouverneure in Anbetracht der besonderen Verhältnisse in Berlin nicht in der Lage gewesen sind, zur Zeit ihre Zustimmung zu erteilen, Berlin als Land in die anfänglicbe Organisation der deutschen Bundesrepublik einzubeziehen, ist beschlossen worden, soweit wie möglich die gleichen liberalen Maßnahmen für Berlin anzuwenden; nur mit dem Zusatz, daß die Alliierte Kommandantur sich alle anderen Rechte vorbehält, die notwendig sind, unter den augenblicklichen außergewöhnlichen Verhältnissen die Sicherheit, die Ordnung und die finanzielle und wirtschaftliche Stabilität der Stadt zu gewährleisten.

3. Die verantwortlichen Stellen von Groß-Berlin haben bereits beträchtliche Machtbefugnisse durch die Vorläufige Verfassung erhalten, jedoch wurde die Ausübung dieser Machtbefugnisse ständig verhindert durch die Sowjetischen Behörden welche sich am 1. Juli 1948 aus der Alliierten Kommandantur zurückgezogen, die Einheit der Stadt zerstörten und versucht haben, die Verwaltung der Stadt zum Stillstand zu bringen.

4. Die Alliierte Kommandantur und die Amerikanischen, Französischen und Britischen Kommandanten haben daher in Ausübung ihrer gemeinsamen und einzelnen Befugnisse beschlossen, daß ihre Beziehungcn zu den deutschen Behörden Groß-Berlins in Zukunft mit den ii dem beigefügten Dokument aufgeführten Grundsätzen geleitet werden.

USAFranceGreat Britain
Brigadier General
Frank L. H o w l e y
Général de Brigade
J. G a n e v a l
Major General
G. K. B o u r n e

Betrifft: Erklärung über die Grundsätze der Beziehungen der Stadt Groß-Berlin zu der Alliierten Kommandantur

1.

(a) Es wird der Stadt Groß-Berlin im Einklang mit der Vorläufigen Verfassung vom Jahre 1946 bzw. mit etwaiger von der Stadtverordnetenversammlung zu einem späteren Zeitpunkt beschlossenen und von der Alliierten Kommandantur gemäß den Bestimmungen dieser Erklärung bestätigten Verfassung volle gesetzgeberische, vollziehende und gerichtliche Gewalt unter dem ausschließlichen Vorbehalt der in dieser Erklärung aufgeführten Einschränkungen übertragen.
(b) Der Artikel 36 der Vorläufigen Verfassung ist einstweilig außer Kraft gesetzt und die zur Durchführung desselben erlassenen Anordnungen BK/O (47) 34 und BK/O (47) 56 sind aufgehoben.

2.

Um die Verwirklichung der grundlegenden Ziele der Besetzung sicherzustellen, bleibt auf den folgenden Gebieten die Machtgewalt der Alliierten Kommandantur ausdrücklich vorbehalten einschließlich des Rechts, seitens der Besetzungsbehörden benötigte Auskünfte und statistische Angaben anzufordern und zu überprüfen.
(a) Die Abrüstung und Entmilitarisierung einschließlich der dazu in Beziehung stehenden Gebiete der wissenschaftlichen Forschung, Verbote und Beschränkungen der Industrie und der Zivilluftfahrt;
(b) Restitutionen, Reparationen, Dekartellisierung, Entflechtung, Nichtdiskriminierung in Handelssachen, die ausländischen Interessen in Berlin und Ansprüche gegen die Stadt Berlin und deren Einwohner;
(c) Beziehungen zu ausländischen Behörden;
(d) Verschleppte Personen und die Aufnahme von Flüchtlingen;
(e) der Schutz, das Prestige und die Sicherheit der Alliierten Streitkräfte, Angehörigen, Angestellten und Vertreter, ihre Immunitäten und die Auferlegung der Besetzungskoston und Zufriedenstellung ihrer sonstigen Bedürfnisse;
(f) Beachtung der Vorläufigen Verfassung von Berlin von 1946 bzw. einer etwaigen von der Alliierten Kommandantur an deren Stelle bestätigten Verfassung;
(g) die Überwachung des Außenhandels und des Devisenverkehrs;
(h) die Überwachung interner Angelegenheiten nur in dem Umfang, der erforderlich ist, um die Verwendung von Geldmitteln, Lebensmitteln und sonstigen Versorgungsgütern in der Weise sicherzustellen, daß der Bedarf der Stadt Berlin an Unterstützung von außerhalb auf ein Mindestmaß herabgesetzt wird;
(i) die Überwachung der Pflege und der Behandlung von den vor Gerichten der Besetzungsmächte oder -behörden angeklagten oder von denselben verurteilten Personen in deutschen Gefängnissen, die Überwachung der Vollstreckung der über solche Personen verhängten Urteile und über Fragen der Amnestie, Begnadigung oder Freilassung in bezug auf diese Personen;
(j) Überwachung der Berliner Polizei, angesichts der in Berlin bestehenden besonderen Umstände gemäß den in einem seitens der Alliierten Kommandantur in dieser Angelegenheit zu erlassenden Dokumente festgestellten Bestimmungen;
(k) Gesetzgebung oder Maßnahmen, die die Beschränkung der Rede- und Pressefreiheit, des Versammlungs- und Vereinsrechtes zur Folge haben könnten, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, wo diese vier grundsätzlichen Rechte durch die Berliner Verfassung sichergestellt sind;
(l) alle Überwachungsmaßnahmen, welche seitens der Alliierten Kommandantur eingeführt wurden oder eventuell eingeführt werden, um zu sichern, daß die Gegenblockade-Maßnahmen einschlißlich der mit der Luftbrücke und mit der Einschränkung des Exports in Zusammenhang stehenden Verfügungen für die Dauer der Blockade in Kraft bleiben;
(m) Überwachung des Bankwesens mit der Währungs- und Kreditpolitik zwecks deren vollständiger Koordinierung mit der Bank- und Kreditpolitik der größeren unter alliierter Überwachung stehendenGebiete Deutschlands.

3.

(a) Es ist die Hoffnung und Erwartung der Kommandanten, daß die Besetzungsbehörden keinen Anlaß haben werden, in anderen Gebieten als in den oben ausdrücklich vorbehaltenen Maßnahmen zu ergreifen. Die Besetzungsbehörden behalten sich jedoch ganz oder teilweise das Recht vor, volle Machtgewalt wieder auszuüben, wenn sie es zur Sicherheit oder zur Erhaltung der demokratischen Verwaltung oder auf Grund internationaler Verpflichtungen ihrer Regierungen für unerläßlich erachten. Sie werden vorher die zuständigen Berliner Behörden von ihrer Entscheidung nebst deren Begründung offiziell in Kenntnis setzen;
(b) Angesichts der in Berlin bestehenden besonderen Umstände behalten sich die Besetzungsbehörden ferner das Recht vor, im Notfalle einzugreifen und Befehle zu erlassen, um die Sicherheit, Ruhe und finanzielle und wirtschaftliche Stabilität der Stadt aufrechtzuerhalten.

4.

Die Stadt Groß-Berlin ist befugt, auf den sonst der Alliierten Kommandantur vorbehaltenen Gebieten, nach ordnungsmäßiger Verständigung der Alliierten Kommandantur, gesetzliche Bestimmungen zu erlassen und Handlungen vorzunehmen, es sei denn, daß die Alliierte Kommandantur ausdrücklich anderweitig bestimmt oder solche gesetzliche Bestimmungen oder Handlungen mit Entscheidungen bzw. Handlungen der Besetzungsbehörden nicht im Einklang stehen.

5.

Jede Anänderung der Vorläufigen Verfassung, irgendeine an Stelle der Vorläufigen Verfassung von der Stadtverordnetenversammlung verabschiedete neue Verfassung und jede Abänderung einer solchen neuen Verfassung sowie alle gesetzlichen Bestimmungenauf den oben vorbehaltenen Gebieten werden erst nach ausdrücklicher Bestätigung durch die Alliierte Kommandantur rechtskräftig. Alle sonstigen gesetzlichen Bestimmungen werden erst 21 Tage nach ordnungsgemäßen Eingang seitens der Alliierten Kommandantur rechtskräftig, es sei denn, die Alliierte Kommandantur hat sie vorher vorläufig oder endgültig abgelehnt. Die Alliierte Kommandantur wird solche Gesetze nur ablehnen, wenn sie nach ihrem Ermessen nicht mit der bestehenden Verfassung, mit den Gesetzen oder sonstigen Verfügungen der Besetzungsbehörden oder mit den Bestimmungen dieser Erklärung im Einklang stehen, oder wenn sie eine ernste Gefährdung der grundsätzlichen Ziele der Besetzung darstellen.

6.

Die Besetzungsbehörden bürgen dafür, vorbehaltlich der Erfordernisse ihrer Sicherheit, daß alle Stellen der Besetzungsbehörden die bürgerlichen Rechte jeder Person auf Schutz vor willkürlicher Verhaftung, Durchsuchung oder Beschlagnahme, auf Vertretung durch einen Anwalt, auf Berufung nach Maßgabe der Umstände, auf Verbindung mit Angehörigen und auf gerechtes und zeitiges Gerichtsverfahren achten werden.

7.

Vor dem Erlaß dieser Erklärung erteilte Anordnungen und Anweisungen der Alliierten Kommandantur und der Militärregierungen der Sektoren bleiben so lange In Kraft, bis sie durch die Alliierte Kommandantur bzw. der Militärregierung des betreffenden Sektors im Einklang mit den folgenden Bestimmungen aufgehoben oder abgeändert werden:
(a) Anordnungen und Anweisungen der Alliierten Kommandantur oder der Militärregierungen der Sektoren, die Fragen auf den vorbehaltenen Gebieten betreffen, bleiben in Kraft und werden kodifiziert.
(b) Die Alliierte Kommandantur und die Militärregierungen der Sektoren werden sobald wie möglich alle dieser Erklärung zuwiderlaufenden Anordnungen und Anweisungen aufheben. Es könnte jedoch erforderlich erscheinen, gewisse Anordnungen und Anweisungen in Kraft zu lassen, bis sie durch städtische Gesetzgebung ersetzt werden. In diesen Fällen wird die Alliierte Kommandantur bzw. die Militärregierung des betreffenden Sektors die in Frage kommenden Anordnungen oder Anweisungen auf Ersuchen der Stadtverwaltung aufheben.